Der Jakobsweg, die Wege der Jakobspilger und der Birgitten-Weg

Die mittelalterlichen Traditionen vom Grab des Apostels Jakobus im galizischen Compostela lösten seit dem 11. Jahrhundert eine enorme Pilgerbewegung aus und machten den Ort neben Jerusalem und Rom zum bedeutendsten Pilgerziel des mittelalterlichen Europas. Das Netz von Pilgerwegen mit dem Ziel Santiago de Compostela durchzog schon bald ganz Europa wie die Adern einen Organismus. Tatsächlich ist der Jakobsweg zu einem Sinnbild europäischer Identität geworden. Unzählige Pilger haben ihre kulturellen und religiösen Spuren an diesen Wegen hinterlassen und dann ihre Erfahrungen und Eindrücke wieder mit nach Hause genommen und ihre europäischen Heimatländer damit bereichert.

Der Jakobsweg ist aber mehr als ein historisches Denkmal, er ist ein lebendiger Weg bis heute. Jahr für Jahr begeben sich tausende Menschen auf die Entdeckungsreise zu ihren Wurzeln - den kultur-historischen und den für das eigene Leben wichtigen.

In vielen europäischen Ländern gibt es heute Vereine der Jakobspilger, die das alte Pilgerwege-Netz wieder herrichten. Man unterscheidet terminologisch zwischen dem „Jakobsweg“ (dem Camino de Santiago) in Spanien und dem Zubringer-Netz, den „Wegen der Jakobspilger“

Nicht zufällig ging der Anstoß zur Schaffung ausgeschilderter Pilgerwege von einer politischen Initiative aus. Der Europarat regte 1987 eine Wiederbelebung der „Wege der Jakobspilger“ an. Die Jakobswege hätten im Mittelalter das Abendland zusammengeführt und seien damit ein Symbol für kulturelle Identität Europas geworden; so könnten sie auch heute wieder der europäischen Integration dienen. Deshalb wurde das Netz der Pilgerrouten zur europäischen Kulturstraße erklärt. Die Pilgerwege nach Santiago wurden seitdem in ganz Europa identifiziert und gekennzeichnet. Architekturdenkmäler und Landschaften entlang dieser Routen wurden wiederhergestellt, Arbeiten über das historische, musikalische und künstlerische Erbe der Routen gefördert.[1]

In Norddeutschland gibt es seit 2005 einen „Freundeskreis der Jakobswege“, der als Sektion der Region Norddeutschland zur Deutschen St. Jakobus-Gesellschaft e.V. gehört.[2]

Mit dem Kloster Tempzin hat Mecklenburg-Vorpommern auch ein evangelisches Pilgerzentrum. Der Verein um Pfarrer Joachim Anders hat eine Pilgerherberge mit 30 Übernachtungsplätzen eingerichtet und verschiedene Pilgerwege ausgeschildert. Regelmäßig werden Gruppenpilger-Reisen organisiert.[3]

Der Freundeskreis hat Kriterien zur Festlegung von Routen und Ausstattung von Pilgerherbergen festgelegt (s. u.). In unserer Region wurden für zwei historische Routen die Kennzeichnung und der Aufbau eines entsprechenden Netzes von Pilgerherbergen beschlossen: der Ost-West-Weg (Via Baltica) von Usedom nach Lübeck und ein Nord-Süd-Weg von Rostock in Richtung Magdeburg. Vom Pilgerzentrum Tempzin aus wurde der Jakobsweg der heiligen Birgitta von Stralsund bis zum Kloster Tempzin ausgeschildert.

Relevant für die Region Rügen ist die alte Hanse-Route, Via Baltica, mit ihrem Zubringer von Stralsund. Im Stralsunder Hafen gingen früher die Pilger aus Schweden an Land. Diesen Weg dürfte auch die schwedische Nationalheilige Birgitta gewählt haben, auf deren Spuren heute wieder Pilgerfahrten unternommen werden (s. u.). [4]

Die Hauptader der norddeutschen Wege der Jakobspilger, die historische Via Baltica, führt über mehr als 700 km von der Insel Usedom nach Osnabrück und soll nach seiner endgültigen Ausschilderung sowohl die skandinavischen Länder als auch Polen mit den rheinisch-westfälischen Wegen verbinden.

Einer Anbindung der skandinavischen Länder an das europäische Jakobswege-Netz würde ein Pilgerweg auf Rügen von großem Nutzen sein. Wenn man bedenkt, dass im Jahr 2003 anlässlich des 700. Geburtstags der heiligen Birgitta mehr als 110.000 Menschen zu Birgittas schwedische Wirkungsstätten pilgerten, lässt sich erahnen, dass ein Pilgerweg, der direkt an die Fährverbindung anschließt, auch viele schwedische Pilger auf den Jakobsweg locken dürfte.

Daher ist auch die Norddeutsche Sektion der St. Jakobus-Gesellschaft an dem Teilstück auf Rügen sehr interessiert. Der Jakobspilger-Weg auf Rügen entspräche auch ihren Kriterien. Er ist am historischen Wegenetz orientiert, allerdings durch moderne Wegführung modifiziert. Das ist auch sonst auf modernen Pilgerwegen durchaus üblich, sind doch viele mittelalterliche Wege heute für Fußgänger nicht mehr begehbar.

Die moderne Reiseroute von Schweden führt eben nicht mehr direkt nach Stralsund, sondern über Sassnitz-Mukran – der Weg über Rügen wäre demnach in unserer Zeit der logische Zubringer zur Via Baltica.

[1]     Siehe http://www.oekumenischerpilgerweg.de/download/schriften/Pilgern_und_Tourismus.pdf.

[2]     Siehe http://www.jakobswege-norddeutschland.de; http://www.deutsche-jakobus-gesellschaft.de.

[3]     Siehe http://kloster-tempzin.de

[4]     Siehe die Broschüre „Entdeckungen im Backsteinland“, hg. v. Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern e.V. (10/2007), S. 34-35.

Pilgerweg (Übersichtskarte)

Wegekonzept

Buchempfehlung/Buchlesung: Aufgeben nicht vorgesehen – Die lange Reise eines blinden Paares auf dem Jakobsweg

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